Inhalt Ausland Vor 25 Jahren: US-Invasion in Grenada "Das war eine gespenstische Erfahrung"
Ein zweites Kuba im Hinterhof der USA? Um das zu verhindern, überfiel die US-Armee vor 25 Jahren die Karibikinsel Grenada. Kurz zuvor war dort der sozialistische Premier Bishop von seiner eigenen Partei gestürzt und ermordet worden. In vier Tagen beendeten die US-Truppen das vierjährige sozialistische Experiment auf Grenada.
Von Michael Castritius, ARD-Hörfunkstudio Mexiko City
Höchstens mit Muskatnüssen hätten sie zurückschießen können, die nur 100.000 Einwohner des Inselstaates Grenada, als im Morgengrauen des 25. Oktober 1983 die Kriegsmaschinerie der USA vor ihrer Küste auftauchte. Plötzlich leuchtete die Insel auf der politischen Weltkarte auf, vorher war sie allenfalls als Export-Weltmeister für Muskatnüsse von Bedeutung. Der Fischer David Pathe erinnert sich lebhaft an die Invasion: "Wir hörten die Bomber, ein Bomber nach dem anderen kam rein, und die bombardierten die Baustelle des Flughafens, die Landebahn." Bomben über St. George's
Eine amerikanische Stellung mit US-Flagge in der Nähe von Port Salinas Die Geschichtenerzählerin Thelma Phillips hörte die Flugzeuge nicht nur, sie sah sie kommen: von der Terrasse ihres Hauses am Hang. Von hier aus sind der lange Strand und die Bucht der Hauptstadt St. George zu überblicken. "Sieh mal runter: Am ganzen äußeren Hafen da waren Kriegsschiffe aufgereiht", erzählt sie. "Und jetzt guck hoch: Da oben ist die Klinik für geistig Behinderte. Ich habe den Hubschraubern noch zugewunken, die flogen so tief, dass sie fast die Äste meines Brotfrucht-Baumes streiften. 'Willkommen, besser Ihr kommt spät als gar nicht', rief ich. Aber später sah ich den Kampfjet, der von einem Schiff startete, hier oben einen Bogen flog, dann seine Kammer öffnete, und die Bombe fiel raus wie ein riesiges Ei. Sie traf genau das Heim, ich habe es gesehen."
Dutzende Kranke kamen ums Leben, die genaue Zahl wurde nie ermittelt. Kolateral-Schaden nennen das die Militärs. Nach offiziellen Angaben kamen insgesamt 45 Grenader, 24 Kubaner und 19 US-Soldaten ums Leben. Dann war der Spuk vorbei: der viertägige Krieg um Grenada und die vierjährige sozialistische Revolution auf Grenada. Der charismatische Ministerpräsident Maurice Bishop hatte dem Land soziale Reformen, Schulbildung und eine gerechtere Verteilung der Einkommen versprochen. Dissidenten kamen ins Gefängnis
Der ehemalige Ministerpräsident von Grenada, Maurice Bishop Wie sein Freund Fidel Castro warf auch Bishop seine politischen Kontrahenten wie den heutigen Ministerpräsidenten Tillman Thomas ins Gefängnis, duldete keine Opposition und keine Andersdenkenden, wie die Rastas. Der Musiker Chris Hall saß damals nur wegen seiner Religionszugehörigkeit sechs Monate im Knast.
"Sie warfen mir konterrevolutionäre Aktivitäten vor. Obwohl ich nichts gemacht hatte, sperrten sie mich in den Rasta-Knast. Zwei Drittel aller Rastafarians von Grenada wurden eingebuchtet. Eigentlich unterstütze ich als Rasta-Mann die Politik der USA nicht, aber damals haben viele Leute sie hier willkommen geheißen, 99 Prozent. Denn wir wurden unterdrückt und sie haben uns befreit - das haben sie gut gemacht." "Sie wollten keine Märtyrer"
Als die US-Amerikaner an diesem 25. Oktober 1983 landeten, war Revolutionsführer Bishop bereits seit sechs Tagen tot. Die stalinistische Fraktion seiner eigenen Partei hatte ihn gestürzt und hingerichtet, zusammen mit 15 Mitarbeitern, darunter seiner schwangeren Lebensgefährtin. Die Extremisten hätten keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie eine Gewaltherrschaft errichten wollten, meint Ex-Minister Michael Radix. Das hätten sie schon im Umgang mit den Leichen der Exekutierten bewiesen, die auf Militärgelände in ein großes Loch geworfen wurden.
"Die haben sie mit Dynamit gesprengt. Dann schütteten sie Benzin drüber und zündeten es an. Und noch mal Dynamit drauf - bis nichts, kein materieller Beweis mehr übrig war. Sie wollten keine Märtyrer, keine Körper, keine Beerdigung."
Reagans Furcht vor dem Sozialismus US-Präsident Ronald Reagan, der kein zweites Kuba, kein weiteres Nicaragua in seinem Hinterhof dulden wollte, war der Mord an Maurice Bishop willkommener Anlass zum militärischen Eingreifen - trotz des heftigen Widerstandes des Weltsicherheitsrates und der britischen Ministerpräsidentin Margret Thatcher.
Mutmaßliche Angehörige der "Revolutionären Volksarmee" Grenadas werden am 28. Oktober 1983 in St. Georges von US-Soldaten gefangengenommen. Grenada hat die Invasion politisch eine gewisse Stabilität gebracht. In Ruhe wird die Muskatnuss geerntet, allerdings vernichtete Hurrikan Ivan 2004 den größten Teil der Muskatbäume. Die Erinnerung an den Aufmarsch der Militär-Maschinerie ist aber auch 25 Jahre danach noch wach, betont Pfarrer Mark Haynes. "Das war wie Krieg, diese Hubschrauber, die Gewehr-Schüsse, die Bomben und die Soldaten überall. Das war eine gespenstische Erfahrung für die meisten Grenader. Sowas war absolut beispiellos, das hatte es noch nie gegeben in diesem schönen, kleinen Land. Es war traumatisch."