In Antwort auf:Petzold und Lüthi haben das sehr schön herausgestellt, auch die Motivation dahinter.
Die würde mich jetzt auch interessieren. Zu welchen Schlüssen sind sie denn gekommen ?
@ Abraxas: grausam inwiefern?
Hi Et Libera
Die Volkssagen und -märchen gingen ja von Mund zu Mund und natürlich wollte jeder der Sache noch ein bisschen mehr Dramatik verleihen. In der Urform war es z.B. noch ein harmloser Alp, der die verschwitzte Kuh nachts ritt, später war es schon eine fatale Alpfrau, welche den Bauern selbst ritt , und in der Zielform war der Bauer selbst der unbewusste Alp, der seine Kuh zu Tode drückte, was ja zu der damaligen Zeit die Auslöschung der eigenen Lebensgrundlage bedeutete.
Sowas kann nur für eine bereits dekadente orale Tradierung gelten. Eine "echte" konnte sich Ausschmückungen etc. auf keinen Fall leisten, da das "Gedächtnis" der Menschen die damaligen "Bücher" waren. Sprich: Verfälschungen hätten das gemeinsame, kollektive "Gedächtnis" gelöscht. Für heutige Verhältnisse klingt das überzogen, aber ein schlechtes Gedächtnis konnte in früheren Zeiten den Tod bedeuten.
Mythen und Sagen waren in besondere sprachliche "Gewänder" gekleidet, so dass, wenn ein Teil davon verloren ging, der andere Teil immer noch eine Rekonstruktion erlaubte. Rhythmus, Redundanz, Tautologien waren dabei ausschlaggebende Elemente.
Die Frage stellte ich , da du von der "Motivation dahinter" geschrieben hast. Unter Motivation stelle ich mir den Antrieb vor, also den "Grund" weshalb diese Geschichten überhaupt entstehen.
(weisst du dich vielleicht noch wo C.G. Jung von "Volkstraum" spricht? ich kann mich leider nicht daran erinnern)
Nun ja, bspw die Hexe aus "Hänsel und Gretel" war doch eine Menschenfresserin, Kannibalin.
In anderen Märchen, deren Titel mir nicht mehr einfallen, wurden Köpfe und Hände abgeschlagen, Herzen von kleinen Kindern verspeist, Menschen geteert und gefedert etc.
Sowas kann nur für eine bereits dekadente orale Tradierung gelten. Eine "echte" konnte sich Ausschmückungen etc. auf keinen Fall leisten, da das "Gedächtnis" der Menschen die damaligen "Bücher" waren. Sprich: Verfälschungen hätten das gemeinsame, kollektive "Gedächtnis" gelöscht. Für heutige Verhältnisse klingt das überzogen, aber ein schlechtes Gedächtnis konnte in früheren Zeiten den Tod bedeuten.
Mythen und Sagen waren in besondere sprachliche "Gewänder" gekleidet, so dass, wenn ein Teil davon verloren ging, der andere Teil immer noch eine Rekonstruktion erlaubte. Rhythmus, Redundanz, Tautologien waren dabei ausschlaggebende Elemente.
Die Frage stellte ich , da du von der "Motivation dahinter" geschrieben hast. Unter Motivation stelle ich mir den Antrieb vor, also den "Grund" weshalb diese Geschichten überhaupt entstehen.
(weisst du dich vielleicht noch wo C.G. Jung von "Volkstraum" spricht? ich kann mich leider nicht daran erinnern)
Hi Et Libera
Als Schreibende sehe ich es auch so wie Lüthi und Petzoldt. In jeder Geschichte steckt eine Zielform. Ob nun ein einfacher Krimi oder eine hochliterarische Novelle, immer steckt das Bestreben nach einer raffinierten Zielform. Diese Grundform steckt auch im Drama: Ausgangslage, Steigerung, Höhepunkt, Wendepunkt, Lösung. Das ist das Ziel jeglichen Erzählens. Beobachte Dich einmal selbst: Wenn Du eine Geschichte weiter erzählst, dann wirst Du jedes Mal besser beim Erzählen, Du verfeinerst die Geschichte und optimierst sie bewusst oder unbewusst. Der Mensch ist ein Perfektionist. Und da die Menschen früher leichtgläubig waren und aus schimmerndem Baumharz bald mal ein Feuergeist wurde, ist es nur logisch, aus meiner Sicht.
Den Begriff "Volkstraum" hab ich aus dem Grundwerk von Jung, die Studienausgabe, wo er daraufhin die Archetypen definiert. Dort spricht er auch über die Amplifikation als Methode zur Traumdeutung.
Sorry aber das gilt nur für eine "literarische" Kultur, also eine deren Gedächtnis in Büchern deponiert ist.
Mündliche Überlieferung läuft über gänzlich andere Bahnen.
Der Unterschied zwischen Oralität und Litteralität ist sehr schwer vermittelbar, da wir zur Gänze in einer litteralen Kultur verwoben sind.
Die Inhalte wahrhaft mündlicher (oraler) Traditionen konnten gar nicht abgeändert werden, da sie das kollektive Wissen darstellten. Ausserdem existierte noch kein "subjektives" Bewusstsein, welches ihnen eine persönliche Note hätte geben wollen können.
"Grundwerk" ist leicht gesagt ... das umfasst mind. 9 Bände... (Verlag?)
Zitat von Et libera nosSorry aber das gilt nur für eine "literarische" Kultur, also eine deren Gedächtnis in Büchern deponiert ist.
Mündliche Überlieferung läuft über gänzlich andere Bahnen.
Der Unterschied zwischen Oralität und Litteralität ist sehr schwer vermittelbar, da wir zur Gänze in einer litteralen Kultur verwoben sind.
Die Inhalte wahrhaft mündlicher (oraler) Traditionen konnten gar nicht abgeändert werden, da sie das kollektive Wissen darstellten. Ausserdem existierte noch kein "subjektives" Bewusstsein, welches ihnen eine persönliche Note hätte geben wollen können.
"Grundwerk" ist leicht gesagt ... das umfasst mind. 9 Bände... (Verlag?)
Hi Et Libera
Walter-Verlag - kann nix dafür der Verlag kommt sogar aus meiner Gegend.
Könnte in Bd.2 (Thema Archetypen) oder so sein, hab die Bände leider schon weggegeben, müsste sie auch wieder kaufen.
Ich persönlich glaube nicht an ein kollektives Gedächtnis in dieser überhöhten Art und Weise. Und wenn es auch lebensgefährlich gewesen sein mag, etwas zu vergessen, was sicherlich nicht in jeder Beziehung so war, dann starben eben ein paar Menschen mehr. Die Sterblichkeit damals war sehr hoch. Sie nahmen es ja mit vielem nicht so genau, viele Frauen und Säuglinge starben, weil es die Mediziner damals noch nicht so genau nahmen mit der Reinlichkeit, obwohl die Bibel eigentlich genug Vorbild gewesen wäre.
Mein Großvater väterlicherseits demonstrierte hervorragend, wie ein Volksglauben entstehen konnte. Er und seine Saufkumpanen hatten nämlich eine Vision, welche glattweg Moses in den Schatten schlug. Natürlich alles im Suff.
Nicht dass ich nicht an Visionen und Präkognition glaube, aber das andere gibt es eben auch.
Es ist ja nicht so, dass die Leute früher automatisch ein besseres Gedächtnis hatten oder zu allem die richtige Erklärung fanden. Ich meine, da glaubte man real an Feen und Kobolde etc. Glaubst Du daran, weil es uns das Volk so überliefert?
Zitat von Et libera nosIch glaube nicht an Feen und Kobolde, aber an das was sie "darstellen". Dabei geht es häufig um Kräfte, Dynamiken, Gesetze etc.
Früher dachte man in Bildern auf dieselbe Weise wie man heute in "Worten" denkt.
Visionen im Rausch (egal ob mystischer oder ethylischer Natur) stehen solchem Bewusstsein sehr sehr nahe.
Eine Studie zum Thema, die ich immer wieder nur empfehlen kann, ist die von Walter J. Ong, "Oralität und Literalität".
Hi Et Libera
Wenn es nur um die Bedeutung hinter den Archetypen geht, ist die Genauigkeit der oralen Überlieferung nicht so wichtig, weil eben die Zielform genauso zutreffen kann wie die Variablen.
Ich denke dabei an Jungs Imaginationsmethode, wo der archetypische Traum weitergeträumt wird, bewusst, eben doch auch künstlerisch, deshalb auch die von ihm entwickelte Maltherapie u.v.m.
Das epochale zehnbändige Aberglauben-Lexikon zeigt sehr schön die Fülle des Aberglaubens, wo aber beim Lesen schon auch klar wird, wie leichtgläubig die Menschen damals waren. Hinter jeder Ecke witterten sie einen Geist. Dies hatte auch tragische Folgen, z.B. wurden aufgrund dessen Selbstmörder und Ungetaufte u.v.a. nur gerade am Rande von Friedhöfen geduldet. Nicht zu vergessen die Hexenverfolgungen usw.
Ich meine, die Leute damals hielten das alles für real, wie sollte ich ihnen also ein unverfälschtes Urteil zutrauen? Das ist aus meiner Sicht sehr unwahrscheinlich.